Ich bin der Meinung,
irgendwo ganz geheim gibt es ein Widrigkeiten-Zentrum, beziehungsweise eine
geheimnisvolle Ausbildungszelle für gemeine Widrigkeiten des Alltags. Wie sonst
könnte es sein, dass, wenn ich
Mittagschlaf halte, genau eine Fliege für mich zuständig ist,
und genau diese eine Fliege alle zwei Minuten auf mir landen
muss. Ich habe das mal beobachtet: Bin ich wach, tummelt sich
die eine oder andere Fliege, wie es sich für Fliegen gehört, in der Küche oder
wo es sich für Fliegen gut tummeln lässt. Dieses Prinzip gilt ab der Minute, in
der ich mittags eingedöst bin, nicht mehr. Ich habe bisher noch keine Lösung
dafür bzw. dagegen gefunden.
In diesem Ausbildungszentrum muss es auch eine Abteilung für verschwundene
Socken geben. Egal ob ich die Dinger paarweise, nummeriert oder getackert in die
Maschine tue, sowie das Ding fertig ist mit Schleudern, ist auch immer das Paar
Socken unwiderruflich getrennt. Lege ich die Teile dann an die Seite, in der
irrigen und durchaus positiven Hoffnung, die zweite Socke findet sich wieder an,
habe ich nach einem halben Jahr ein ganz ansehnliches Häufchen der
verschiedensten Socken zusammen, wobei nicht ein gleiches Paar zustande kommt.
Hier helfe ich mir inzwischen mit 10er Packs der gleichen Sockenmarke und Farbe.
Ist zwar langweilig, hält aber eine Weile vor. Strumpfhosen sind auch eine
Alternative. Da macht aber mein Mann nicht richtig mit. Mit den Einzel-Socken
wische ich inzwischen Staub und poliere Fenster. Geht ganz prima. Vorher die
Tacker-Nadeln rauspuhlen, das gibt sonst böse Kratzer. Nicht am Fenster... in
der Haut!
Auch Brillen werden da ausgebildet. Sie lernen, sich ganz, ganz leicht zu machen
und mit ihrer Dioptrin-Stärke nicht unnötig aufzufallen, so dass man spätestens
nach einer Stunde vehement seine Brille sucht, bis dich jemand mitleidig
anlächelt. Spätestens dann weißt du: Ätsch! Reingefallen! Hast sie noch auf der
Nase. Ein unauffälliger Handgriff ans Ohr bestätigt deine dich überfallende
Theorie.
Dann gibt es dort die Zuspät-Komm-Abteilung. Hier werden Schlüssel, Schuhe,
Portemonnaies, Handtaschen und alles, was man schnell braucht, um aus dem Haus
zu kommen, dahingehend ausgebildet, sich beim ersten Anzeichen einer
Notsituation des hektisch suchend rumlaufenden Besitzers unverzüglich unter
Zeitungen, Wäschekörben usw. zu verstecken. Ganz gemeine Tricks benutzen oft die
Schlüsselbunde, weil.... die hängen tatsächlich da, wo sie hängen sollen. Da
kommt man morgens so schnell nicht drauf. Mein Mann hat ein sehr angespanntes
Verhältnis zu seinem Autoschlüssel.
Es muss auch ein
Schwerkraft-Zentrum geben. Wie sonst ist es zu erklären, dass gerade dann, wenn
man gesaugt oder gewischt hat, irgendetwas Klebriges oder Fettiges runterfällt
und/oder die Katze sich übergeben muss? Nicht dass es nun besser wäre, wenn es
hoch an die Decke fällt - würde es vielleicht, wenn ich die Decke wischen
würde... ich habs noch nicht ausprobiert. Von Margarine-Deckeln und geschmierten
Toastscheiben, die immer mit der Fett-Seite unten landen, will ich gar
nicht erst anfangen. Sie seien hier nur der Form halber erwähnt. Ich tröste mich
damit, dass ich wirklich froh bin, dass das Zeuch nicht an der Decke landet.
Wahrscheinlich würde ich ewig die Leiter suchen. Hier lohnt es sich, den
Wischeimer mit der Wisch-Brühe noch eine Stunde stehen zu lassen. Den braucht
man garantiert noch mal.
Gleich neben dem Schwerkraft-Zentrum gibt es wohl eine kleine, aber sehr
wichtige Unterabteilung: Die Abteilung der abhanden kommenden, mit Garantie
versehenen Kassenbons. Das geht so: Du kaufst dir ein Gerät, was weiß ich, z.B.
einen Wasserkocher. Nun weißt du aber, der hat Garantie, meist zwei – drei
Jahre. Also hast du quasi den Kassenbon adoptiert und Verantwortung übernommen.
Der muss unbedingt aufgehoben werden, weil - auch das ist Fakt - das Gerät dazu
garantiert einen Monat vor Ablauf der Garantie den Geist aufgibt. Ha! Und nun
wirds spannend. Du findest alles, die Bedienungsanleitung, den Busfahrschein zum
Elektroladen, Extra-Kabel, Ersatzbatterien. Was findet man nicht? Richtig! Den
Kassenbon! Den findest du spätestens einen Monat, nachdem die Garantie
abgelaufen ist und du dir völlig entnervt einen neuen Wasserkocher geleistet
hast.
Aber es gibt auch tolle Sachen! Erwähnte ich, dass wir jetzt Rauchmelder haben?
Glaubt mir, die melden alles, ob meine Nachbarin gerade einen
Seenotrettungs-Kreuzer braucht oder nachts um drei eine klitzekleine
Hausstaub-Milbe drüberspaziert, ob ich Karamell-Pudding mache oder mein
Putengulasch anbrennen lasse, es wird gemeldet was das Zeug hält. Und die sind
soooo praktisch, die Dinger! Nachbarn, die sich sonst nie freiwillig melden
würden, klingeln sogar zu den unmöglichsten Uhrzeiten Sturm. Endlich wird von
uns Notiz genommen! Ja, seit wir die Melder haben, sind wir voll „in“.
Wo die Rauchmelder entwickelt wurden, muss sich auch ganz in der Nähe das
Urlaubs-Weck-Trainingscenter befinden. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit fällt der Stadt oder unserem Vermieter in meiner
Urlaubs-Woche, die ich zuhause verbringen möchte, ein, dass entweder das Dach
gemacht werden muss, die Rutsche nebenan am Kinderspielplatz gehämmert werden
muss, ab morgens um sieben alle Rauchmelder-Batterien ausgetauscht werden
müssen, Kabel durch alle Wohnungen verlegt werden müssen, die Hecken
geschnitten, der Rasen gemäht oder das Laub gepustet werden muss (vom Schnee
will ich gar nicht erst reden). Dabei sollte man nicht zu spät anfangen. Sieben
Uhr ist eine schöne Zeit. Haben der Hausmeister oder andere Institutionen
tatsächlich den Sieben-Uhr-Termin versäumt, findet sich immer der eine o. andere
hilfreiche Nachbar, der morgens noch schnell ein Bild mit seiner
Hilti-Bohrmaschine aufhängen möchte.
Versagen beide Systeme, haben wir noch unser gutes Tiefgaragen-Tor, das gerne
laut quietscht. Und als letzte Möglichkeit fällt unserer Katze ein, dass sie nun
unbedingt heute gerne gegen vier Uhr morgens ihr Frühstück einzunehmen gedenkt.
Da wird nicht locker gelassen.
Hier denke ich dann: Ist ja gut. Würde ich ausschlafen, hätte ich es an meinem
ersten Arbeitstag mit dem Aufstehen sehr schwer. Ich hab es zwar trotzdem sehr
schwer mit dem Aufstehen an meinem ersten Arbeitstag, aber es beruhigt und es
ist alles sauber und ordentlich. Schön ist es, endlich in den verdienten
Angel-Urlaub zu fahren und in ruhiger Umgebung „freiwillig“ um vier Uhr morgens
aufzustehn, um angeln zu gehen.
Und kennt jemand das Phänomen mit geborgten Büchern? Sagenhaft!!! Hast du dein
eigenes Buch, egal, ob mit oder ohne Schutzumschlag, du liest es meinetwegen
vier Monate lang und es ist kein Fleckchen, kein Stäubchen, kein Knick und kein
Schaden zu sehen. Aber wehe, wehe ich borg mir ein Buch... Da fällt mir die
Erdbeermarmelade rauf, der Kaffee kippt um, und was liegt daneben??? Es fällt
runter und reißt den Buchrücken auf, die Katze wetzt die Krallen genau daran,
das Kaninchen meint, Seite 23 sieht zum vernaschen gut aus, verschmutzt,
verklebt, zerknickt, mit und ohne zermatschte Mücken.... Unglaublich, nach nur
zwei Wochen sieht die Lektüre aus, als hätte sie schon Jahre in der Mülltonne
gedümpelt. Und den Schutzumschlag suchst du auch noch Wochen danach... Und wie
der erst aussieht... Mein Mann fragt immer nur mitfühlend, wenn mir ein
Missgeschick mit einem Buch passiert: “Geborgt?“.... Leider hat er zu 99,9
Prozent recht.
Hier hilft eigentlich nur noch „gar nicht borgen“. Wenn mich ein Buch
interessiert, kaufe ich es besser gleich, das schont die Freundschaften und der
Preis ist der gleiche. Wichtig ist auch, dass das Buch nie bemerkt, dass du es
gerne in möglichst schöner Version behalten möchtest. Kaum bemerkt es dein
Interesse, passieren die Unglücke in unglaublichster Weise. Sogar ganz kleine
Kinder in der U-Bahn tropfen dir dann das Schokoladen-Eis treffsicher auf das
Buch. Es ist wie verhext! Schon mal nen fliegenden Pappteller Pommes-Majo in der
U-Bahn mit einem Buch aufgefangen? Ja, ich kann das von mir behaupten!!! Das
nenn ich Geschicklichkeit...ts...
Tja, das nur mal so... nur von mir....